Drei Abende, drei Referent*innen, insgesamt über 50 Teilnehmende – das war unsere Demokratiekonferenz 2020!

Sehr gerne hätten wir als Koordinierungsstelle unsere Gastredner*innen und Gäste ganz reell und vor Ort begrüßt. Umso mehr hat es uns gefreut, dass wir die Konferenz trotz Lockdown Light doch noch umsetzen konnten und sich dennoch so viele zur digitalen Version haben einladen lassen!

Den Anfang machte am Dienstag, den 24. November, Philip Schlaffer. Der Ex-Neonazi nahm die Teilnehmenden mit in eine raue Welt voller Hass und Gewalt, in die man sonst nur selten einen so umfassenden Einblick bekommt. Der heute als Antigewalttrainer arbeitende Schlaffer berichtete von seiner Kindheit und Jugend, dem schleichenden Radikalisierungsprozess, dem Abstieg in Extremismus und Kriminalität. Ganz unten ist er schließlich im Gefängnis angelangt, wo er eine Strafe für den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln absitzt. Mit psychologischer Hilfe gelingt ihm dort Stück für Stück der Ausstieg und Neustart. In der Präventionsarbeit mit Kindern und Jugendlichen kommt es ihm heute vor allem darauf an, auf einer persönlichen Ebene zu zeigen, dass der Rechtsextremismus – trotz aller vermeintlicher Versprechungen – nur Negatives bringt. Im Netz ist Schlaffer erste Anlaufstelle für Menschen, die wie er irgendwann an ihrer Ideologie zweifeln, leistet dort Überzeugungsarbeit für den Ausstieg, der für Szenemitglieder dem höchsten Verrat gleichkommt. Auch hier ist er persönliches Beispiel, denn nach dem Ausstieg kommt nicht das Ende, sondern die Chance auf einen Neustart und die Wiederaufnahme in die Gesellschaft. Diese ausgestreckte Hand bleibt bestehen.

Zwei Tage später, am Donnerstag, den 26. November, durften wir die Autorin und Journalistin Heike Holdinghausen in unserer digitalen Runde begrüßen. Dank ihrer Arbeit als Redakteurin für die taz und mehrerer veröffentlichter Bücher zum Thema ist Holdinghausen eine Expertin in vielen Themenfeldern, die sich unter dem Schlagwort ökologische Wende vereinigen lassen. Für uns las die Autorin aus ihrem im Jahr 2019 erschienenen Buch „Uns stinkt‘s!“, in dem sie mit den Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung abrechnet. In der anschließenden lebhaften Diskussion stellte sie sich unter anderem Fragen zum Klimawandel, Artensterben, der Landwirtschaft und Elektromobilität. Auch, was ganz konkret in Gotha geschehen kann und muss, wurde diskutiert. Fest steht, dass bei aller medialen Aufmerksamkeit für die Corona-Pandemie die Klimakrise eine der drängendsten Fragen des 21. Jahrhunderts bleibt. Für das Überdauern unserer demokratischen Grundordnung genauso wie die Rettung eines lebenswerten Planeten für unsere Kinder und Enkel. Wie genau wir diese Frage lösen werden, bleibt offen, aber wir dürfen nicht aufhören, an der Antwort zu arbeiten.

Am vergangenen Dienstag, den 1. Dezember, konnten wir dem letzten Gast unserer Demokratie(video)konferenz 2020 zuhören, dem Autor und Journalisten Hasnain Kazim. Kazim wächst in der norddeutschen Provinz auf, seine Familie hat indisch-pakistanische Wurzeln. Damals noch ganz analog macht er im Alter von 16 Jahren seine erste Erfahrung mit Hate Speech, als er sieben wütende Antwortbriefe auf einen Artikel in der Schülerzeitung bekommt. Später, als er für den Spiegel schreibt, startet er ein Experiment und antwortet ausnahmslos jeder Leser-Mail, die ihm gesendet wird. Daraus entsteht das Buch „Post von Karlheinz“, in dem Kazim dutzende Dialoge mit Karlheinz und seinen Gleichgesinnten sammelt, die zugleich absurd, lustig und bestürzend sind. Der Autor las für uns jedoch nicht nur aus dem Buch, sondern teilte auch Strategien für den Umgang mit Hassrede und den zielführenden Dialog mit Andersdenkenden. Anschließend sprachen wir auch über aktuelle Herausforderungen, die Gefahr rechter Netzwerke in Polizei und Bundeswehr (Kazim ist Marineoffizier) sowie Stärken und Grenzen des Humors als Antwort auf Hass und Hetze.

Wir danken allen Referent*innen und Teilnehmenden, die zum Gelingen der Demokratie(video)konferenz 2020 beigetragen haben, sehr herzlich. Wir sind froh, dass wir 2020 noch eine Veranstaltung ermöglichen konnten und freuen uns umso mehr darauf, wenn wir uns im nächsten Jahr zur Demokratiekonferenz 2021 wieder im echten Leben und ganz ohne Ruckeln und Tonaussetzer sehen können!