Seit Dezember 2015 läuft am Landgericht Erfurt der Prozess zur Aufklärung einer gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung.

Diese Tat, ein gezielter und brutal ausgeführter Überfall auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt im Landkreis Gotha, bei dem mehrere Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, wird 15 Angeklagten zur Last gelegt. Fünfzehn Angeklagten die vom ersten Prozesstag an keine Zweifel an ihrer neonazistischen Gesinnung aufkommen lassen.  Eindeutige Kleidungsstücke oder sichtbar getragene Tätowierungen sowohl bei den Angeklagten als auch bei Zuschauern sprechen da eine klare Sprache.

Der Prozess in Erfurt soll nun klären was da passiert ist und wer verantwortlich ist für den Überfall in Ballstädt. Dies müssen nicht nur die Opfer und deren Angehörige erwarten dürfen. Sondern auch die übrige Gesellschaft. Doch hier wird der Glaube und das Vertrauen in ein recht-staatliches System auf die Probe gestellt.

Auch im Erfurter Prozess, der sich in seinem Verlauf zu einem der größten Prozesse gegen Rechtsextremisten in den letzten Jahren entwickelt hat, wird deutlich vor Augen geführt welcher Anstrengungen es bedarf, solche menschenverachtende Taten aufzuklären.

Nicht nur
dass der Prozess an sich stellenweise fast zur Farce gerät, wenn wiederholt gestellte und ebenso regelmäßig abgelehnte Befangenheitsanträge oder Klärungen formaler Verfahrensdetails ganze Verhandlungstage füllen.

Nicht nur
die grundsätzlich ablehnende Haltung der Angeklagten gegenüber dem Gericht, die sich in der Verweigerung von Aussagen oder verharmlosenden, durch Anwälte verlesene, Einlassungen zeigt.

Nicht nur
die Anstrengungen derer es bedarf wenn Opfer Tätern gegenüberstehen müssen, wenn eine Tatortbesichtigung zur unmittelbaren Konfrontation mit dem Geschehenen führt – in Anwesenheit der Angeklagten und ihres Anhangs. Oder wenn Beschuldigte aus der Untersuchungshaft entlassen werden und eine rechtzeitige Information Betroffener sowie der Polizei versäumt wird und somit Ängste und Unsicherheiten unterstützt werden.

Auch ist es die einmal mehr gemachte Erfahrung, dass staatliche Institutionen Ermittlungen und Aufklärung zu verhindern suchen.

Um z.B. an Unterlagen des Thüringer Verfassungsschutzes zu Telefonüberwachungen zu gelangen – die Verabredung zum Überfall in Ballstädt war mitgehört worden – bedurfte es der Klage vor dem Verwaltungsgericht Weimar durch Vertreter der Nebenklage des Erfurter Prozesses.

Aus diesen Unterlagen könnte u.a. auch hervorgehen, dass es weitere an dem Überfall in Ballstädt Beteiligte gibt.

Der letzte Hauptverhandlungstermin ist derzeit noch für den 01.03.2017 vorgesehen. Doch ist ein Ende dieses Prozesses derzeit nicht wirklich absehbar. Verfolgt man die Verhandlung oder hört die Nebenkläger sind da noch zu viele offene Fragen.

Da wäre noch zu klären
ob es tatsächlich weitere Mittäter gab.
Welche Rolle spielt der Verfassungsschutz?
Welche Erkenntnisse werden zurückgehalten?
Mit welchen rechtsradikalen Strukturen haben wir es auch in Thüringen zu tun?

Und es muss auch auf anderer Ebene weitergefragt werden.
Nach den Verhältnissen im Dorf. Wer sieht wem nicht mehr in die Augen, welche Ängste bleiben, welche Befürchtungen? Was in Ballstädt passiert ist, hinterlässt auf jeden Fall Spuren. Wie die Menschen damit umgehen wird die Zeit zeigen. Ob und wie solche Wunden innerhalb einer Dorfgemeinschaft heilen wird natürlich beeinflusst werden vom Ausgang des Prozesses,  aber auch von den Fortgängen in unserer gesamten Gesellschaft.

Und hier zeigt sich auch die Verantwortung des Einzelnen.
Es ist sicher nicht die Zeit zu resignieren oder zu verzweifeln.

Es ist die Zeit wachsam zu sein, Stellung zu beziehen und solidarisch zu sein, Zeit die zu unterstützen die dem Rechtsextremismus, dieser aggressiv-rückwärtsgewandten Ideologie, entgegentreten.

Ein Kommentar zum sog. Ballstädt-Prozess am Erfurter Landgericht von Konstantin König